Berlin 2007
April
sonntag 1.4.07
m theater ballhaus ost. die inszenierung „montana“ von simone eisenring und milo rau angeschaut und-gehört.
sind beide ostschweizer.
das stück wurde bereits im der gessnerallee gespielt. inhaltlich gute gedankliche ansätze, jedoch absurd die tonlage, zu schrill, zu hüpfend, zu viel verpackt. auch kann ich nicht nachvollziehen, warum so viel gekreischt, die sprechenden mit lang anhaltendem hundegebell begeleitet werden müssen.
rütlischulhaus, tag der offenen tür. habe noch nie so viele fernsehteams und journalisten gesehen.
die jugendlichen haben gute arbeiten in den klassenzimmern gezeigt, haben t-shirts gemacht, bilder gemalt, doch die medien wollten nur wissen, ob jetzt mehr ruhe in der schule sei, als vor einem jahr. die meisten zeitungen brachten dann winzig kleine artikel, mit interviews von jugendlichen.
die meinung der lehrerschaft war wohl weniger wichtig.
meine bilder wurden zum teil aufgehängt, zum teil in einem ordner gezeigt. leider schrieben nur wenige einen satz unter das bild.
zum beispiel
während des fotografierens dachte ich an sonne (sosda)
ich finde das bild nicht so schön weil ich so dick und alt aussehe, aber es war interessant (admira)
ich denke, wann sie mich endlich fotografiert.
was ich nicht gut fand, man kann die schrift auf dem t-shirt nicht sehen (wael)
ich bin stolz auf die rütlischule, darum habe ich auch das rütli shirt an.
dass gott ein so schönes geschöpf geboren hat- ich- (majada)
finde das bild gut, weil ich cool aussehe und eine gute stellung ausgesucht habe und ich bin ein stolzer rütlischüler.
habe mir das bild genau so vorgestellt.(ali el-ali)
montag 2.4.07
im deutschen theater.
„schlaf“ von jon fosse gesehen. regie führte michael thalheimer die auffühung war von grosser aussagekraft.
das war theater mit einer guten wort- und körpersprache, ohne geschrei und gekreische.war tief befriedigt nach dieser aufführung, auch das wissen, dass es eben auch ganz anders sein kann als gestern abend.
in wien am burgtheater wird im moment dasselbe stück gespielt, regie führt luc bondy.
gerne würde ich mal dasselbe stück hintereinander von zwei so unterschiedlichen regisseuren wie hier mit michael thalheimer und dort luc bondy zu gemüte führen.
dienstag 3.4.07
ameisenmengen
füsse
köpfe an der wärme
himmel wolkenlos
einsam
eis
rosa gelb grün
vor offenen mündern
überflüssiges am boden
fensterfrei die häuser
bauchfrei die jugend
mittwoch 4.4.07
auf der heimfahrt vom treptow park fing es an zu regnen. ein schwarzgekleideter mann fuhr mit dem velo neben uns auf dem trottoir. sein hut war ein kleiner regenschirm. sah grossartig aus.
dann sah ich ihn einen moment lang nicht mehr, mussten wegen einer ampel anhalten, doch dann kam er wieder zum vorschein und ich sah ihn von hinten.
sein ledermantel versehen mit einem schlitz hing an beiden seiten des velos lose hinunter. er trug hohe lederstiefel an nackten schlanken beinen. sein hinterteil ebenso nackt wie die beine. er war mit einem lederstring bekleidet und liess sich vom regen abkühlen.
gerne hätte ich ihn gefragt, ob ich ihn fotgrafieren dürfe, doch hatte ich weder eine büchse bei mir noch eine möglichkeit auszusteigen.
donnerstag 5.4.07
frühlingstage in berlin.
die cafes sind voll mit fröhlichen menschen, die plätze nicht mehr passierbar. ich höre alle sprachen, deutsch in der minderzahl, auf den schiffen staunende ausflügler und ich mit den büchsen.
vergesse zu fotografiern vor so viel leichtigkeit.
karfreitag 6.4.07
kommentarlos
ostersamstag 7.4.07
begegnung
traf mich mit einem fotografen um 10h im hotel park inn am alexanderplatz.
hatte grosse bedenken, einen tag lang der linse ausgesetzt zu sein
wird mir ja auch bei meinem mann sehr schnell zu viel.
es ging darum, einen blickwinkel mit dem camera obscura auge zu fotografieren und genau dieselbe situation, derselbe standort mit einer digitalkamera.
ich suchte mir den neptunbrunnen vor dem berliner rathaus.
der wind hatte wieder mal überhaupt keinen anstand, sich für ein momentchen zurück zu ziehen, nein er wollte mit dabei sein, sehen wie die büchsen zittern und ich auch, aber vor allem wollte er mich ärgern.
wir fuhren zur schweizerbotschaft, auch da der wind massiv, die fahne senkrecht stramm, ich staune immer wieder, dass die botschaft noch immer am demselben platz steht.
der fotograf und ich fotografierten, wie es der name auch sagt bis nach zwölf, dann musste ich ins labor, meine büchsen waren voll, der fotograf kam mit und zwängte sich ebenfalls in das kleine „labor“.
später als der journalist dazu kam, fehlten immer noch einige aufnahmen.
wir machten noch bilder vom tacheles, dann wieder retour in die dunkelkammer, ein vergleich, stimmt immer noch nicht,-kann ja auch nie stimmen- nochmals hin und wieder zurück.
es war faszinierend - ganz gegen meine befürchtungen vom morgen- wie gut die arbeit lief. die begabung meines begleiters war bewundernswert. er fragte mich irgend was, ich ging auf das gespräch ein und in dieser zeit fotografierte er.
seine bilder die ihm vorschwebten organisierte er im gespräch.
ostersonntag 8.4.07
mit einer höhe von 8.35 meter
einem durchmesser von 4 meter
handelt es sich um das grösste osterei der welt.
dekoriert mit 10'000 primeli
das gigantenei steht am hauptbahnhof in berlin...wo denn sonst.
ostermontag 9.4.07
wilma und till kamen strahlend und pünklich in berlin tegel an.
eiersuche mit till
gefunden auch anderes
ich sagte zu till, dass er nun beim zweiten besuch in berlin sicher kein heimweh mehr habe.
ja das sei wohl so, denn jetzt sei auch seine mama da, aber stansstad sei trotzdem schöner.
dienstag 10.4.07
der berühmte einsteinturm in potsdam besichtigt.
der weg führt über den telegraphenberg durch parkähnliches gelände zum wissenschaftstempel.
expressionistischer bau, sieht aus wie ein u-boot. laut informationen sehr anfällig. immer wieder muss renoviert werden.
die stimmung in diesem park animiert zum denken, riechen, stillsein, alleinsein.
mittwoch 11.4.07
kein anmelden
anfragen
überfallartig ist er da
nistet sich in meine stunden
tage
wochen
lebenszeit
er dominiert mein dasein
er kitzelt
er kratzt
er schüttelt und quält
er ist der mittelpunkt
der tage
er duldet keine stille
er will keine ruhe
nachts dann
soll ich ihn pflegen statt schlafen
während des tages
sich nur ihm zuwenden
er führt sich auf
als wäre er
der herrscher meines da-seins
und
ist nichts
als ein ekelerregender
abscheulicher
verachtenswerter
husten.
donnerstag 12.4.07
der weltstar knut
mit grossem zeitaufwand sehen tausende von zoobesucher den eisbären
auch wilma und till...
tausende aber sehen ihn gar nicht, trotz aufwand.
freitag 13.4.07
hohenschönhausen.
der ehemalige häftling hans-eberhard zahn führte uns durch die gefängnisse.
ein intelligenter mann von 80 jahren, der sieben jahre seines lebens hier inhaftiert war.
mit grossem humor und vor allem mit einer bewundernswerten portion stolz führte er durch seine vergangenheit. er sei nicht etwa verbittert, oder wütend, nein, es sei ein triumphales gefühl, diese zeit überlebt und seinen peinigern entkommen zu sein.
danach zu der gedenkstätte an der normannenstrasse, das meistbesuchte politische museum berlins.
der ehemalige dienstkomplex der stasi, wo erich mielke als letzter minister residierte, fand dann till nicht mehr so sehenswert.
samstag 14.4.07
gestern!
wunderschöner tag, wunderschön ausgeruht, wunderschön geschlafen und wunderschön wenig gehustet.
freue mich auf die letzten stunden mit wilma und till,. sie werden unwiederbringlich von der vergangenheit gefressen.
auf dem jüdischen friedhof in weissensee, bei den hackeschen höfen an der sonne gesessen, die menschen, natur und tiere bestaunt und gestaunt.
am späteren nachmittag bei sommerlichen temperaturen eine touristische schifffahrt auf der spree gemacht und gefunden, dass den touristen nicht das schlechteste gezeigt wird.
heute!
bei einem solchen morgen fällt das abschiednehmen leichter
um 6h auf dem flugplatz tegel die zwei besucher dem flugzeug übergeben
jetzt ist stille, immer wieder ungewohnt die ersten tage. doch das wissen um diese stunden ist eine grosse bereicherung meines berlinaufenthaltes
sonntag 15.4.07
wohin führt meine reise...
jeden tag unschlüssiger, undefinierbarer, ratloser.
kann ich in diesem zustand die reise fortsetzen?
soll sie in berlin enden?
montag 16.4.07
sommer im april.
an den kiosken mit den ausgehängten zeitungen steht dieser titel auf vorderster front und wenn ich die menschen auf der strasse beobachte ist es auch so.
farbige kleider, luftig dazu, sandalenbeschuhte füsse, unternehmungsfreudige gesichter, küssende pärchen.
ich suchte den park den ich im film“das leben der anderen“ gesehen und damals meinte, auch der name buckow gehört zu haben.
so fuhr ich mit der u-bahn und bus bis buckowerdamm. dann fing die fragerei an.
ich fragte unterschiedlichste personen bei denen ich annahm, dass sie den film und die gegend kennen.
zuerst wurde ich in einen friedhof gewiesen, der zwar aussah wie ein park und sicher sehenswert ist, aber eben, es war nicht der park vom film. .
dann meinte jemand, dass ich in der ehemaligen berliner bundesgartenschau vielleicht die gesuchte anlage finden könnte.
aber auch da fand ich dieses bild nicht, obschon ich vier stunden im park mich aufhielt. aber es gab andere bilder.
so etwas gigantisches von einer gartenanlage habe ich noch nie gesehen.1985 war da die berliner bundesgartenschau und ist seither die attraktivste erholungsanlage der stadt, wie mir gesagt wurde.
der park bietet liegewiesen, seen, hügel, die grösste sonnenuhr europas, spiellandschaften, stille ecken, und im moment millionen von tulpen verschiedenster farben, narzissen, osterglocken.
so weit das auge reichte wurde aus dem sehen ein staunen.
langgezogene, blühende baumalleen liessen mich vergessen, dass ich in einer stadt bin.
vier stunden marschiert und erst ein kleiner teil gesehen.
dienstag 17.4.07
fokussieren auf weniges und dieses wenige aufmachen bis in die kleinen ewigkeiten.
mittwoch 18.4.07
machte mich nochmals auf den weg, den „filmpark zu suchen“.
über das internet bin ich der sache etwas näher gekommen. es soll der volkspark schönholzer heide sein.
nun, er war es.
er ist noch eindrücklicher als im film.eine gewaltige grösse und pracht, wie fast alle gedenkstätten im osten, aber mit einer ebensolchen gewaltigen, stillen feierlichkeit.
kein park hat mich bis anhin so beeindruckt
13'000 soldaten sind hier begraben.
die statue „mutter erde“ erinnerte mich an unsere helvetia, nur eben, die schweizer bescheidenheit kennt hier niemand.
donnerstag 19.4.07
ein telefongespäch aus dem roten rathaus. eine sehr nette dame, hatte mir folgendes mitzuteilen „der regierende bürgermeister möchte nicht in dieser art fotografie abgelichtet werden“.
auf meine frage warum, „dies hat er nicht weiter kommentiert“.
könnte es sein, dass mit der weiblichen eitelkeit etwas falsch interpretiert wird, nämlich ganz anders tönt es beim schwachen geschlecht
"würde ich nochmals für den kantonsrat kandidieren, müsste es eine camera-obscura-aufnahme sein. sie verleitet zu
interpretationen und gibt anlass zu diskussionen. was will man mehr in einem wahlkampf".
besuch von jürg benninger, unser nachbar aus luzern. als ich die tür aufmachte, sagte er mit strahlendem lachen „grüezi frau giacometti“.
die wohnung der zuger kulturstiftung in berlin heisst giacometti
freitag 20.4.07
die schönen schuhe welche ich vor einigen wochen gesehen und auch probiert habe, den füssen aber nicht recht zugesagt hatten, heute doch noch gekauft.
aber eigentlich war ueli der initiant.
immer, wenn schuhe sehr schön sind, drücken sie vorne, vielleicht hinten, manchmal auch überall, doch frau erträgt das.
zwar nicht mehr so oft wie früher, aber die heute gekauften haben meinen kopf gar nie mehr verlassen, seit ich sie gesehen habe.
die farbe, ein helles weinrot mit lindengrünem leder ausgefüttert, zwei zierliche schuhbändelchen und ein launisch gebogener absatz.
auch wenn ich diese schuhe nie tragen könnte, jedoch die möglichkeit habe, die zwei eleganten hin und wieder aus dem schrank zu nehmen und sie einfach anstaunen darf, dann hat sich diese investition gelohnt.
nun, ich werde die zwei heute abend anziehen für eine vernissage, für das sind sie ja optimal geeignet, weil man ja an den vernissagen selten oder nie sitzen darf.
samstag 21.4.07
in der nähe von clärchens ballhaus rémy markowitsch und seine frau maya besucht
viel erzählt, vergangenes und zukünftiges. die zwei führen faszinierende künstlerleben und so wie ich das empfinden kann mit allen optionen.
bereits letzthin als rémy bei uns war, empfand ich seine gedankengänge sehr bereichernd. die inspirationen der beiden künstler eröffnen mir neue horizonte.
eines wird mir immer klarer, ich muss mich vom grosssen, ablenkenden sehen befreien, muss mein auge beruhigen. manchmal denke ich, dass dies in berlin gar nicht möglich ist. ich muss warten, bis die ruhe meiner ehemaligen umgebung wieder in mich zurückkehrt, ganz nach dem motto des heutigen bildes.
sonntag 22.4.07
marienfelde.
wusste nichts von diesem ort, lese manchmal den namen, wenn ich die karte der öffentlichen verkehrswege studiere.
auf solchen unbekannten streifzügen, begegnen mir hin und wieder echte überraschungen von wunderschönen altbauten, gut erhaltenen innenstädte oder auch eine ganz andere mentalität.
in marienfelde aber begegnete mir nichts was zu sehen sich gelohnt hätte. es gibt kein zentrum keine schönen häuser, nur eine langezogene strasse mit zwei-bis dreistöckigen eher hässlichen bauten. rechts dieser allee existiert ein blumenladen, eine bäckerei, eine kleine beiz, links der strasse ähnliches.
ich wollte umkehren, denn der wind gab sich wieder alle mühe, da sah ich eine tafel mit dem hinweis „marienfelde im vorzimmer des westens“.
rené burri hat in diesem haus ab heute, bis 19.august eine ausstellung.
ich besuchte dann natürlich die ausstellung. ich vernahm eine grosse menge über marienfelde und noch mehr von diesem haus.
hier war das auffanglager der geflohenen ddr menschen. ich sah sechsbettzimmer, unter- und oberwäsche, essens- und wartemarken, koffern, taschen, tagebücher, zeichnungen und vieles mehr.
auch unzählige politiker liesen ihre weltansichten da ausstellen.
rené burri bekam damals eine sondererlaubnis zu fotografieren. die meisten wollten aus angst nicht abgelichtet werden. ihm ist es gelungen ein eindrückliches portrait dieser zeit zu machen.
über jene endlos anstehenden und erschöpften menschen, die auf das aufnahmeverfahren warten mussten.
ausser einem etwa zweijährigen kind, war kein lachendes gesicht unter all den bildern.
als ich die ausstelllung verlassen wollte, kam die frau an der kasse auf mich zu und schenkte mir einen ausstellungkatalog von rené burri.
warum? ich weiss es nicht!
montag 23.4.07
buckow.
kaum etwas ausserhalb von berlin mitte, bei den riesigen plattenbauten, grasten auf einer wiese sechs elefanten, als ob sie sich immer da aufhalten würden.
weiter richtung strausberg, immer ostwärts.
die fahrt wurde zur „bluestfahrt“.
weiss, rosa blühende bäume, grosse ackerplätze und nicht enden wollende rapsfelder, in denen man sich verlieren könnte.
in buckow machten wir eine wanderung. rund um den see, meistens aber auf dem panoramaweg bestaunten die märkische schweiz.378 treppen hoch, nur 160 hinunter. ich sah erstmals seit einigen monaten rinder, kühe, schafe, ich sah schmetterlinge und faszinierende ameisenberge.
ich sah fettleibige, junge und alte menschen, häuschen mit hübschen vorgärten, roch frisch gemähtes gras und genoss eine vanilleglacé am see.
später der besuch des sommerhauses von bertolt brecht und helene weigel, direkt am schermützelsee.
es gibt auskunft über das gemeinsame leben und arbeiten des künstlerpaares. einrichtungsgegenstände, bühnenbildmodelle, planwagen und kostüme zu brechts theaterstück "mutter courage und ihre kinder".
das haus besitzt einen einzigen grossen, sehr hohen raum, nebst ein paar winzigen, zu denen man keinen zugang hatte. der garten mit seeanstos widerum ist zum verweilen verträumt.
der rauch
das kleine haus unter bäumen am see
vom dach steigt rauch
fehlte er
wie trostlos dann wären
haus, bäume und see
brecht
dienstag 24.4.07
liebe elisabetha
neue schuhe sind ein omen für vorteilhafte veränderungen.
"gingen wir doch, öfter als die schuhe die länder wechselnd
durch die kriege der klassen, verzweifelt
wenn da nur unrecht war und keine empörung"
bertolt brecht
sonnige sommergrüsse aus altendorf nach berlin.
yvonne
mittwoch 25.4.07
die karl marx allee finde ich eine der schönsten alleen in berlin. grosszügige breite, erwartungsreiche länge und elegante häuserfronten .
im café alberts kurz vor mittag einen halt gemacht. die tische im freien waren gut besetzt und die leute genossen ihr frühstück, welches den berliner bis um 16h. und darüber hinaus begleitet.
das besteck und die serviette brachte uns die kellnerin in einer hüschen, schmalen papiertasche, vorne auf der tasche wie durch ein fenster schaute albert einstein uns entgegen. hinten verschiedene infos zum alberts und unten im gleichen schriftzug RELATIV GUT.
beim friseur.
kenne mich zwar noch und doch scheint mir, dass ich recht zerfranst in der welt stehe.
donnerstag 26.4.07
markus kirchhofer aus oberkulm verbrachte einen abend bei uns. er lebt für drei monate in berlin und arbeitet intensiv an einem comic-szenario
auch schreibt er geschichten zu comics, zum beispiel sein letztes werk „das abkommen“ oder die früheren geschichten „matter“ und „matter entzweit“.
er las uns eine kolumne vor, die voller kleinen und grösseren pannen und alltäglichkeiten seines ankommens in berlin berichtete.
der öffentliche verkehr von berlin umkreist pro tag 18,5 mal die erde.
in berlin gibt es über 900 brücken, fast doppelt so viel wie in venedig.
freitag 27.4.07
im deutschen bundestag.
fünfzig minuten wurden pro gruppe gewährt, während einer debatte über die meinungs- und demonstrationsfreiheit in russland mitzuhören.
still, ohne zu sprechen, klatschen und fotografieren.
die abgeordneten kamen und gingen, nach was für einem prinzip ist mir immer noch schleierhaft, jedoch darf mir das ja auch schleierhaft bleiben, ich bin ja keine politikerin und so wie die herren (bei meiner anwesenheit sprachen nur herren) mit worten umherwarfen, müssen sie schon eine menge wissen, damit mir ihre wortwahl und -gewandtheit auch schleierhaft bleibt.
das ist nichts für volkesohren, die gepflegt gewandeten damen und herren wissen es sicher besser und werdens schon richten.
anfänglich waren nicht mehr als 30 personen anwesend. allerdings zeitung las niemand im gegensatz zu bern.
samstag 28.4.07
mutter courage im berliner ensemble gesehen.
mit ganz unspektakulären mitteln unterstreicht das stück die zeitlosigkeit der tötungsmaschine krieg.
ist aber auch eine liebeserklärung an die darstellerin der titelrolle, carmen-maja antoni, der sechzig jährigen schauspielerin.
„ich lass mir meinen krieg nicht madig machen“: carmen-maja antonis „courage“ ist eine so schlaue und robuste kämpfernatur, deren geschäftstüchtigkeit aus ihrem bedingungslosen überlebenswillen kommt. selbst in der privaten katastrophe kommt ihre trauer und verzweiflung ganz unsentimental zum ausdruck.
der originalwgen der ersten aufführung mit helen weigel steht in buckow im sommerhaus der helen weigel und bertold brecht. helen weigel zog 405 mal den schweren wagen über die abgeschrägte bühne.
die jetztige hauptdarstellerin carmen-maja antoni mit ihren sechszig jahren und weniger als 1.60 gross schiebt und bremst das schwere ding und es gab momente wo ich zu zweifeln anfing, ob sie ihnauch zu halten vermag.
sonntag 29.4.07
die wärme
will mehr als nur warm sein
will die menschen entkleidet sehen
will das teuer angesammelte fett endlich braun werden lassen
will die ungepflegten füsse in schreckliche latschen zwängen
will die schweissnassen besucher der gartenrestaurants zum enger zusammen sitzen zwingen
will die stillen gassen noch stiller werden lassen
will die parks mit grölenden, sonnenstichigen menschen bevölkern
will die nächtlichen stunden zum tag machen
will die erde und die menschen austrocknen
montag 30.4.07
besuchte drei galerien bei uns in der auguststrasse.
vor allem die galerie eigenart mit der momentanen installation „heute nicht“ von birgit brenner hat mich total fasziniert.
eine sozialkritische und politische arbeit. die wenigen textepisoden, einmal auf pappschildern, einmal direkt auf der wand, erinnerten mich an kurze gedankengänge mit langanhaltender wirkung. die ausstellung beschäftigt sich mit zwei schicksalen. einem gewinner und einem verlierer.
„das geld muss reichen bis ans lebensende“, die einen.
oder
„wir haben einen gärtner, ein kindermädchen und genug geld“, die andern